Keimhemmung

Pflanzen bauen in ihren Samen nach der Reifung oft eine Keimhemmung auf, diese schützt so vor einer vorzeitigen Keimung und den Keimling vor ungünstigen Witterungsbedingungen (Frost, Dürre etc.)

Um diese Hemmung abzubauen, bedarf es entsprechender Umweltbedingungen, sei es der Frost im Winter, auch Brände, Tierfraß und entsprechende Verdauungssäfte, die den Samen aufbrechen, oder auch lange Nässeperiden, in denen die Samenschale aufquillt. Die Natur ist hier sehr vielseitig.

Um zu einem gewünschten Termin eine Aussaat zu machen, muss der Mensch daher die Natur simulieren.

So gibt es Saatgut, welches in den Kühlschrank, teilweise sogar in das Gefrierfach kommt, um eine Frostperiode vorzugaukeln und ihm die Keimhemmung zu nehmen.

Wer Begriffe wie Stratifikation (stratifizieren) oder Skarifizierung (skarifizieren) liest oder hört, hat in der Botanik also den Vorgang vor sich, der diese natürliche Keimhemmung abbaut.

Beim Skarifizieren (ritzen) handelt es sich in der Regel um mechanische Verfahren, welche die Schale dünner machen und öffnen , so das Eindringen von Feuchtigkeit erleichtern. Sobald die Schale quillt, wird der inliegende Samen die Feuchtigkeit aufnehmen und der Keimprozess beginnt.

Das Saatgut wird dafür z.B. in Trommeln gerieben, man kann aber zu Hause Schmirgelpapier nutzen oder große Samen mit eine Klinge einritzen. Danach wird der Samen mit Wasser aufgequollen, milde Wärme ist hilfreich, und so ist er meist nach 12-24 Stunden bereit für die Aussaat.

Wieder andere werden der Stratifikation (lateinisch von stratum, was Decke oder Schicht bedeutet) unterzogen.

Bei der Stratifikation, die schon sehr lange bekannt ist, werden die Samen in feuchtem Material wie z.B. scharfen Sand oder Torf eingebettet (wegen der Gefahr der Schimmelbildung keine Erde), dort bauen Mikroorganismen die keimhemmende Schicht ab. Danach können die Samen keimen. Häufig genutzt in Baumschulen bei früchtetragenden Gehölzen.

Bei vielen Pflanzen ist es eine Kombination von Statifikation und Skarifikation, von Kälte- und Wärmereizen, man kann das oft gar nicht so genau trennen, weil immer die Pflanzenart mit ihren Ansprüchen beachtet werden muss.

Der Vorgang der Warm-Kalt-Stratifizierung kann mehrere Wochen bis Monate dauern, wobei sich Temperaturen um 20 Grad für zwei bis vier Wochen nach schrittweiser Absenkung eine Kälteperiode bis zu 30 Wochen anschließen kann, z.B. Zaubernuss (Hamamelis), Schneeball-Arten (Viburnum) und Eibe (Taxus).

Wieder andere wollen eine länger Wärmebehandlung, um die Keimhemmung abzubauen.

Als Förster werde ich Ihnen zur Stratifizierung der Robinen (Robinia pseudoacacia) Aufnahmen zeigen.

Robinie
Standort Schäfereimuseum Beeskow

Vermutlich kommt nun zunächst die Frage auf, warum Robinie – in unseren Gegenden auch gern als Akazie bezeichnet – wobei das natürlich falsch ist – weil sie lange Jahre eher verpönt war, als invasive Art abgelehnt wurde und sich zudem über Stockausschläge vermehren läßt.

Standort Gutspark Birkholz

Es ist ihre sprüchwörtliche Genügsamkeit, ihre Robustheit an trockenen, armen Standorten gedeihen zu können (Stickstoffsammler) und das hervorragende Holz, welches sie zur „Eiche des armen Mannes“ machte.

Robinienblüte

Imker lieben sie für ihre Blüte, jeder kennt den Honig. So begann ihr Siegeszug aus Nordamerika über Südeuropa und zunächst als Parkbaum in Deutschland bis in die heimischen Wälder, weil sie sich wie nur wenige andere Laubbaumarten an die aktuellem Witterungsbedingungen anpassen kann. Sie wurde zum Baum des Jahres 2020 gekürt.

Blattwerk der Robinie

In Südeuropa5 hat man Robinien als Pionierbaumart in die baumleeren Steppen gepflanzt, sie spendeten dort meinen Vorfahren Schatten, Nahrung, Bauholz und im Winter natürlich auch Wärme. Das bringt sie mir vielleicht noch ein wenig näher, weshalb ich angesichts der immer trockener werdenden Standorte des Brandenburger Waldes eine Lanze für sie brechen möchte.2

Querschnitt einer als Bauholz ungeeigneten Robinie

Natürlich muss man achtsam sein, bis auf die Blüten gilt sie als stark giftig, besonders die Rinde und die Früchte. Wegen der Giftigkeit für Pferde darf Robinienholz auf keinen Fall zum Bau von Boxen verwendet werden, bereits die Erde vom Robinienstandort kann bei einer Dosis von ca. 150g zur tödlichen Vergiftung führen. Die Giftstoffe führen zur Verklumpung der roten Blutkörperchen und sind gewebezerstörend.

unreife Samenschote der Robinie

Wer sich für die Robinie entscheidet, sich jedoch Sorgen macht, wie invasiv sie ist, es gibt dazu Karten, die für Brandenburg zeigt die Standorte nach Risikobeschreibung hier: Black Locus Risk Atlas 2022

Kehren wir nun zum Saatgut zurück. Wenn die trockene Schote sich öffnet, behalten Robiniensamen ihre Keimfähigkeit mindestens 40 bis 50 Jahre, in warmen Jahren mit einer hohen Temperatur über längere Zeit ist die Hartschaligkeit und Keimhemmung besonders ausgeprägt.

Zur Saatgutgewinnung wird zunächst der Oberboden etwa 5 cm tief abgezogen und die langlebigen Samen ausgesiebt. Diese Samenernte erfolgt allgemein ein bis zwei Mal während des Bestandeslebens. Der Zeitabstand zwischen den Oberbodenentnahmen sollte 10-20 Jahre betragen.1

Das zertifizierte Saatgut wird vor der Aussaat behandelt. Dazu wird die harte Samenhülle mechanisch gebrochen1, z.B. mit Walzen auf harter Unterlage, Reiben zwischen Steinplatten, mit Glasscherben in rotierenden Trommeln. u. a. Das gebrochenes Saatgut behält seine Keimfähigkeit trotz der Behandlung mehrere Jahre.

Bewährt hat sich auch das Einweichen in Schwefelsäure für 10 bis 60 Minuten (Young 1992)3,4. Nach dieser Vorbehandlung keimen im Mittel etwa 70 – 80 % der Samen. Erste intensive Untersuchungen an Robiniensaatgut zur Ermittlung von Keimfähigkeit und Reinheit
wurden in Bayern bereits Anfang der 1940er Jahre an unterschiedlichen Saatgutpartien durchgeführt.3

Größenunterschied von unbehandeltem Saatgut in der Mitte und nach der Behandlung und dem Aufquellen der Samen außen
noch einmal der Größenvergleich trocken und gequollen
während des Quellens öffnen sich einige Samen und zeigen dne Keim
das gequollene Saatgut mit ersten Keimlingen

Die Aussaat erfolgt zumeist Anfang Mai kurz vor dem Ende der
Spätfrostperiode mit einer Saatgutmenge von 20 g/m2.
Nach etwa vier Wochen laufen die Saaten auf und nach
zwei Monaten erreichen die Sämlinge etwa 20 cm Höhe.3

Im von mir fotografierten Anbau erfolgte die Aussaat im Sommer, eine Versuchsfläche unbehandelt (kein Auflaufen in der selben Zeit), eine Versuchsfläche mit vorbehandeltem Saatgut, welches innerhalb weniger Tage nach dem maschinellen Eindrillen auflief.

Sommersaat, Zustand nach 3 Wochen

Stratifikation ist der Weg zur schnelleren Keimung!


Quellen: alle Fotos Rzadkowski

  1. Robinie – Wertholzerzeugung auf Extremstandorten
  2. Alternative Baumarten im Klimawandel: Artensteckbriefe – eine Stoffsammlung
  3. Randolf Schirmer und Dr. Eva Cremer; Aspekte zu Vermehrungsgut und Genetik der Robinie
  4. Young, J.A. (1992): Seeds of woody plants in North America; Disocorides Press, Portland 1992
  5. Leo Tschermak, Waldbau auf Pflanzengeographisch-Ökologischer Grundlage,Springer Verlag Wien 1950; p.448