Die Tollwut ist eine Virusinfektion, die eine akute, fast immer tödliche Enzephalitis (Gehirnentzündung) verursacht.
Beim Menschen meist durch das Rabiesvirus ausgelöst.
- Familie: Rhabdoviridae
- Gattung: Lyssavirus
Synonyme:
- Wutkrankheit
- Lyssa
- Rabies
- Rage
- Hydrophobie „Wasserfurcht“
- Aquaphobie „Wasserscheu“
- Hundswut
Epidemiologie:
- sylvatische Wut (Zyklus Fuchs-Fuchs und sehr selten ein anderes Tier oder der Mensch)
- urbane Wut (Zyklus Haushund-Haushund und viel häufiger der Mensch), der vorherrschende Typ in den Tropen, besonders auf der südlichen Halbkugel (Indien, Ostasien, Afrika und Südamerika)
- als virusfrei gelten Großbritannien Schweden, Norwegen, Finnland, Schweiz, Frankreich und Belgien
- Deutschland gilt seit April 2008 nach den Kriterien der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) als frei von klassischer Tollwut, nicht jedoch nach den strengeren WHO-Kriterien (frei von jeglichen Tollwutviren, auch Fledermaustollwut).
Geschichtliches:
- war bereits im Altertum bekannt
- im 3. Jahrtausend vor Christi wusste man, das tollwütige Hunde die Tollwut durch Bisse übertragen
- im babylonischen Gesetzbuch: Halter tollwütiger Hunde mussten für die durch diese Hunde verursachten Todesfälle Geldstrafen zahlen
- 1804 – Georg Gottfried Zinke (gest. 1813), Tollwut durch Einreiben des Speichels tollwütiger Hunde in frische Wunden von Kaninchen übertragen
- 1882 – Louis Pasteur, erstes Mal Tollwut intracerebral*) auf Kaninchen übertragen und einen Impfstoff entwickelt
- Am 6. Juli 1885 wurde das erste Mal ein Mensch gegen Tollwut geimpft
- Auf der Basis von Pasteurs Impfstoff entwickelte man den viele Jahre genutzten „Semple“ Impfstoff, der durch Phenolbehandlung abgetötete Viren enthielt
- Seit 1954 immunisiert man gebissene Menschen zusätzlich zur aktiven Immunisierung auch passiv
- Seit 1980 gibt es Impfstoffe, die in vitro gezüchtete, abgetötete Rabiesviren enthalten und in der Human- und Tiermedizin eingesetzt werden
Übertragung:
- In Südamerika ist das Virus endemisch in blutsaugenden oder früchte- oder insektenfressenden Fledermäusen
- Auch Fledermäuse in Holland, Dänemark und in Teilen des Ostseegebietes mit Tollwutviren
- Virusisolate aus Fledermäusen lassen sich mittels monoklonaler Antikörper serologisch und genetisch eindeutig unterscheiden
- Die Übertragung erfolgt durch Biss infizierter Tiere, die das Virus bereits 12 Tage vor Krankheitsbeginn mit dem Speichel ausscheiden
- Das Virus kann grundsätzlich alle warmblütigen Spezies infizieren, es gibt aber unterschiedliche Empfänglichkeiten für das Virus, Füchse, Wölfe und Schakale sind die empfänglichsten Tiere für die Tollwut, das Opossum gilt als weitgehend resistent.
Krankheitsverlauf beim Tier:
- Inkubationszeit beträgt im Regelfall zwei bis acht Wochen
- Krankheitsdauer zwischen einem Tag und einer Woche
- vielseitige Symptome, zu Beginn der Erkrankung zumeist Verhaltensveränderungen und häufig Aggressivität
- im fortgeschrittenen Stadium Lähmungen und Krämpfe
- Charakteristisch ist die Aufnahme von Steinen und anderen Gegenständen
- „rasende Wut“: besonders aggressiv und bissig, übererregt, später Lähmungen, bei Hunden heiseres Bellen, Schluckstörungen (starkes Speicheln, Schaum vor dem Maul), Heraushängen der Zunge, Lähmung der Hinterbeine (Festliegen).
- „stille Wut“: gleich mit den Lähmungserscheinungen beginnend, oder atypische Verläufe, die zunächst einer Magen-Darm-Kanal-Entzündung (Gastroenteritis) gleichen.
- Hausrind zunächst mit Verdauungsstörungen, Atonie und Aufgasung des Pansens, Durchfall (bei Weidehaltung ist stets Tollwut in Betracht zu ziehen!). Später Muskelzuckungen, Speicheln, ständiges Brüllen und Lähmungen der Hinterbeine.
- kleinen Wiederkäuer wie Schafen und Ziegen meist „stille Wut“, es können aber auch Unruhe, ständiges Blöken und ein gesteigerter Geschlechtstrieb auftreten.
- Hauspferd „rasende Wut“ mit Rennen gegen Stallwände und Koliken oder „stille Wut“ mit Apathie, dann oft mit Bornascher Krankheit verwechselt.
- Hausschwein: Aufregung, andauerndes heiseres Grunzen, Zwangsbewegungen und Beißwut.
- Vögel, sehr selten auftretend, mit ängstlichem Piepen, Bewegungsstörungen und Lähmungen einhergehend
- Wildtiere: häufig Verlust der Scheu vor dem Menschen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele verstädterte Wildtiere wie Füchse und Waschbären diese ohnehin nicht mehr aufweisen!
Krankheitsverlauf beim Menschen:
- Mensch gilt als relativ unempfänglich, Bisswunden im Gesicht- und Kopfbereich bergen jedoch hohes Ansteckungsrisiko
- Inkubationszeit (von 10-12 Tagen bis zu mehreren Jahren),
überwiegend zwischen 2 und 7 Wochen - nach der Infektion bleibt das Virus für etwa drei Tage in der Nähe der Eintrittspforte, vermehrt sich dort und wandert dann ca. 10-20 mm pro Tag über das Innere der Nervenfasern bis in das Rückenmark und schließlich ins Gehirn.
- Hauptreplikationsort ist vorwiegend der Hirnstamm. Nach Vermehrung im Gehirn wandert das Tollwutvirus entlang peripherer Nerven und Hirnnerven in die Augenbindehaut, in die Speichel- und Hautdrüsen, zugleich erfolgt eine Ausbreitung in viele Organe (Nebennieren) und wird mit deren Sekreten ausgeschieden. Erst in dieser spät Infektionsphase bildet das Virus infektiöse Partikel
- Virusverbreitung über das Blut jedoch schneller !
Symptome u.a.:
- Ziehen und Brennen an der Bissstelle
- grippeartigen Symptome: Kopfschmerzen, Fieber, Gelenksteifigkeit
- akute neurologische Symptome: Hyperaktivität. Schüttelkrämpfe, Hyperventilation, Lähmungserscheinungen
- Enzephalitis (Gehirnentzündung) mit typischen Symptomen
- ist das Rückenmark befallen, dann Myelitis (Rückenmarksentzündung)
- atypische Krankheitsverläufe mit Verwechslungsgefahr (Guillain-Barré-Syndrom)
- Phase der rasenden Wut mit Hydrophobie, Schluckkrämpfen, steigendem Fieber, erhöhter Speichelfluss, Delirium, anormales Verhalten, Halluzinationen, Schlaflosigkeit
- Die Lähmung der hinteren Hirnnerven (Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus) führt zu einer Rachenlähmung, verbunden mit einer Unfähigkeit zu sprechen oder zu schlucken. Der Anblick von Wasser kann Anfälle mit Krämpfen des Rachens und Kehlkopfs hervorrufen. Der produzierte Speichel kann nicht mehr abgeschluckt werden und bildet Schaum vor dem Mund. Die Hydrophobie und die Schluckbehinderung verhindern die Verdünnung des Virus, was seine Virulenz erhöht. Geringste Umweltreize, Geräusche und Licht führen zu Wutanfällen, Schreien, Schlagen und Beißen, wobei das hochkonzentrierte Virus schließlich übertragen wird.
- Phase der stillen Wut bei 20% der Patienten: Lähmung, Bewusstlosigkeit und Koma
- Tod erfolgt durch Atemstillstand
Diagnose:
- Aufnahmen mit dem Kernspintomographen (MRT) zeigen eine Aufhellung in der Region des Hippocampus und am Nucleus caudatus.
- Virusnachweis über Cornea-Abstriche, Speichel-, Liquor-, Nackenstanzproben und aus Gehirnmaterial möglich
- Immunfluoreszenztest
- Realtime-RT-PCR
- Fast immer tritt zwei bis zehn Tage nach den ersten Symptomen der Tod ein, bei den wenigen Überlebenden bleiben häufig schwerste Gehirnschäden zurück.
Therapie:
- Nur während der mehr oder minder langen Frühphase, also in den ersten Stunden, ist noch eine postexpositionelle Impfung sinnvoll (Gabe von je einer Impfung an den Tagen 0, 3, 7, 14, 28 (30) und fakultativ am Tag 90)
- passive Immunisierung mit lokal und systemisch verabreichten Präparaten
- aktive Immunisierung: durch die lange Inkubationszeit macht auch eine aktive Immunisierung Sinn, denn bis zum Ausbruch gibt es schon wirksame Antikörper
- Sobald das Virus das Gehirn erreicht hat, ist eine Impfung nicht mehr wirksam. Es gibt keine Behandlung der Tollwut!
Vorbeugemaßnahmen:
- PCEC-Impfstoff (Rabipur®), ein auf Hühnerembryonen gezüchtetes, inaktiviertes Tollwutvirus (Stamm Flury LEP), oder Tollwutimpfstoff (HDC) inaktiviert
- Je eine Impfdosis (in den Oberarmmuskel) am Tag 0,7 und 28 (evtl. 21), damit ist die Immunisierung abgeschlossen. Weitere Impfungen, egal ob vorbeugend oder postexpositionell, gelten nach erfolgter Grundimmunisierung immer als Auffrischung, egal, wie lange die Grundimmunisierung zurückliegt.
- Schutz für 3 bis 5 Jahre nach kompletter dreiteiliger Grundimpfung
1990 | 2008 | 2011 |
Aus jagdlicher Sicht:
- Pflicht des Jägers ist vermehrte Bejagung von Raubwild
- bei Tollwut im Jagdbezirk Köder auslegen
- verendete Tiere in Kadavertonne oder Verbrennung mit amtlicher Genehmigung
Rechtliches:
- Tollwut Schutz-Verordnung
- gegen Tollwut darf nur mit nicht vermehrungsfähigem Virus geimpft werden
- Impfung von seuchenkranken und verdächtigen Tieren sind verboten
- Anzeige von Tierausstellungen müssen der zuständigen Behörde mindestens 8 Wochen vorher angezeigt werden, sie können beschränkt oder verboten werden
- über 3 Wochen alte Hunde müssen außerhalb von geschlossenen Räumen Halsband tragen mit Steuermarke oder Name und Anschrift des Halters
- nach amtlicher Feststellung: verdächtige Tiere müssen getötet und entsorgt werden, mit Ausnahme von Tieren die einen Menschen gebissen haben und einen wirksamen Impfschutz besitzen
- bei ansteckungsverdächtigen Tieren kann die Tötung angeordnet werden
- gefährdete Bezirke werden gesperrt im Umkreis von 40 km
- nach Aufhebung der Sperre, muss das Gebiet mind. 2 Jahre ohne Ausbruch gewesen sein, um als tollwutfrei zu gelten
- zur Kontrolle des Impferfolges in dem Sperrgebiet müssen auf einer Fläche von 5.000 km² oder mit einem Radius von mindestens 40 km um die Abschuss-, Tötungs- oder Fundstelle bei einer statistischen Sicherheit von 95% und einer angenommenen Immunisierungsrate von 70% bei einer Schätzgenauigkeit von 5% jährlich 323 Füchse untersucht werden.2)
*) Intrazerebral (lat. intra- „innerhalb von etwas gelegen“, cerebrum „Gehirn“) = innerhalb des Hirngewebes
Quellen:
Wikipedia
Ständige Impfkommission (STIKO)
Robert Koch-Institut (RKI)
2) § 12 Anlage (zu § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 14 Abs. 2 Nr. 2)
Bildquellen:
1) Wikimedia commons Autor: ceridwen
3) WHO Rabies Bulletin Europe, TSN – FLI Wusterhausen